Bisweilen legen die nationalen Gerichte dem EuGH sehr komplexe Fragestellungen vor. Doch auch vermeintlich leichte Fragen sind mitunter schwer zu beantworten. So fragte der BGH in der Sache Constantin Film vs. YouTube: Was ist eine Adresse? Hierauf hat der EuGH nun geantwortet.
Die Constantin Film Verleih GmbH ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Filmen „Parker“ und „Scary Movie 5“. In den Jahren 2013 und 2014 wurden diese Filme auf YouTube hochgeladen. Constantin verlangte von YouTube – neben der Löschung des Videos – auch die Auskunft über die jeweiligen Nutzer, die die Filme hochgeladen haben. Das befolgte YouTube und damit hatte Constantin schließlich Kenntnis von einem fiktiven Nutzernamen, der bei der Rechtsdurchsetzung nicht weiterhalf. YouTube hat aber weitere Daten des Rechtsverletzers gespeichert, nämlich die E-Mail-Adresse, die Telefonnummer sowie die IP-Adresse samt Datum und Uhrzeit des Zugriffs. Constantin fragt sich deshalb:
Muss YouTube auch Auskunft über E-Mail-Adresse, Telefonnummer und IP-Adresse geben?
Das deutsche Recht gewährt dem Rechtsinhaber gegen die Plattform einen Anspruch auf Auskunft über Namen und Anschrift des Rechtsverletzers. Damit setzt es die Durchsetzungsrichtlinie (EG/2004/48) um, welche von einer Auskunft über „Namen und Adresse“ spricht. Bei der Entscheidung, ob die Auskunft über die „Adresse“ auch die oben genannten Daten erfasst, musste der BGH also Unionsrecht auslegen. Deshalb wandte er sich an den EuGH und stellte ihm – vereinfacht – die Frage:
Was ist eine Adresse?
Der EuGH entschied, dass damit nur die Postanschrift gemeint sei. Dies gelte bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, im Übrigen entspreche dies dem Willen des Gesetzgebers und dem Begriff in anderen Richtlinien und Verordnungen. Zwar muss es dem Rechteinhaber möglich sein, den Verletzer zu identifizieren. Insofern normiert die Richtlinie jedoch nur einen Mindeststandard, nachdem die Mitgliedsstaaten wenigstens einen Auskunftsanspruch über Namen und Postanschrift gewähren müssen. Bei der Umsetzung der Richtlinie ist der deutsche Gesetzgeber hiervon nicht abgewichen.
Ausblick
Es ist bereits abzusehen, dass diese Entscheidung Folgen haben wird. Die bestehende Regelung des § 101 Abs. 3 Satz 1 UrhG erschwert die Durchsetzung von Ansprüchen, die aufgrund von Rechtsverletzungen auf Plattformen wie YouTube, Instagram, Facebook, Twitter oder auch in kleineren Foren entstehen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber den Auskunftsanspruch zugunsten von Urhebern erweitert. Dies kann nur nach einer Abwägung mit den datenschutzrechtlichen Interessen des Rechtsverletzers geschehen.
Edit: Mit Urteil vom 10. Dezember 2020 wies nun auch der BGH die Revision von Constantin zurück und lehnte eine weitere (dynamische) Gesetzesauslegung sowie eine analoge Anwendung des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs ab.
Vielen Dank an Theresia Rasche für diesen Blogbeitrag.