„Das ist ja simpel, das kann ich auch!“, so oder so ähnlich hat wohl fast jeder von uns schon einmal vor einem begeisternden Kunstwerk gestanden. Doch nur weil man etwas kann, darf man es lange noch nicht – auch wenn das Kunstwerk nur aus vermeintlich einfachen geometrischen Formen besteht. Dies hat nun auch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in seinem Beschluss zu dem Werk „Edelblüte“ (mit Hintergrundbeleuchtung) der Künstlerin Kathrin Geller bestätigt. (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.05.2023 – 6 U 46/22).
Der Fall
Im März 2021 wurde die Klägerin darauf aufmerksam, dass die Beklagte Nachahmungen ihres Kunstwerkes Edelblüte ausstellte, zum Verkauf anbot und über Instagram bewarb. Da die Beklagte die urheberrechtlichen Ansprüche der Klägerin zurückwies, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Flensburg.
Im anschließenden Hauptsacheverfahren setzte sich das Landgericht Flensburg eingehend mit der Schutzfähigkeit der „Edelblüte“ und der Urheberschaft der Klägerin auseinander. Nach umfassender Beweisaufnahme stellte das Landgericht Flensburg fest, dass die Klägerin die „Edelblüte“ vor vielen Jahren geschaffen und zum heutigen Werk weiterentwickelt hat. Die „Edelblüte“ sei als Werk der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) urheberrechtlich geschützt, da es eine hinreichende individuelle Prägung aufweise. Im Werk „Edelblüte“ würden zwar bekannte Formen und Farben zusammengeführt, diese aber so miteinander kombiniert, dass sie dem Werk eine Eigentümlichkeit und Individualität verleihen. Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein.
Der aktuelle Beschluss des OLG Schleswig-Holstein
Das OLG Schleswig-Holstein weist die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurück, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch das OLG setzte sich mit der Schutzfähigkeit der „Edelblüte“ auseinander und stellte fest, dass das Landgericht die erforderliche Schöpfungshöhe überzeugend dargetan habe. Der wiederkehrend vorgebrachte Einwand der Beklagten, dass Spiralformen altbekannt seien und vielfach Werke geprägt hätten, gehe ins Leere. Letztendlich beruhe jedes schöpferische Werk auf einer Kombination gemeinfreier, allgemein bekannter Elemente. Dies könne das Landgericht auch ohne Sachverständigen feststellen. Auch die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden.
Fazit
Die gerichtlichen Entscheidungen bestätigen einmal mehr, dass auch vermeintlich einfache geometrische Formen dem Urheberrecht zugänglich sein können. Voraussetzung ist, dass die konkrete Gestaltung dem Werk die erforderliche Eigentümlichkeit und Individualität verleiht. Die Beurteilung dieser Frage und insbesondere auch, ob eine angelehnte Gestaltung einen ausreichenden Abstand zu einem bestehenden Werk einhält, erfordert viel Erfahrung mit urheberrechtlichen Sachverhalten. Uns selbst hat dieses Verfahren zudem bestätigt, dass es sich immer lohnt, Zeugenaussagen durch eingehende Internetrecherchen z.B. in Sozialen Medien und über die Internet-Wayback-Machine zu überprüfen. Offenbaren sich dadurch Widersprüche, können diese im Verfahren für die Mandantin nutzbar gemacht werden. KünstlerInnen möchten wir mit auf den Weg geben, dass es sich lohnt ihre Urheberrechte durchzusetzen. Auch wenn sich gerade erfolgreiche Künstler leicht an Don Quijote und seinen Kampf gegen die Windmühlen erinnert fühlen – es ist wichtig, nicht den Kopf in den Sand zu stecken. Herzlichen Glückwunsch Frau Geller! Herr Hilger und ich haben uns gefreut, Sie in dieser Sache unterstützen zu dürfen.