Für viele Verbraucher stellt sich eine Kündigung per Brief als “Nummer sicher“ da. Urkunden über die Zustellung werden sorgfältig abgeheftet und im Fall der Fälle kann der Kunde diese zücken und nachweisen, dass der Unternehmer das Schreiben garantiert bekommen hat. Durch die zunehmende Digitalisierung sind viele Unternehmen auf die Online-Kommunikation umgestiegen. Verträge können online geschlossen und auch gekündigt werden, zum Beispiel via Email oder über das eigene Nutzerkonto. Aber müssen die Online-Verträge denn auch online gekündigt werden? „Nein!“ entschied das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 29.04.2021 (Az. 312 O 94/20) auf eine Klage der Verbraucherzentrale (vzbv).
Der Fall
Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das einen Vertragsschluss sowohl per Telefon als auch durch Direktvertrieb, zum Beispiel durch Stände auf Wochenmärkten, anbietet. In einer Bestätigungsemail erhält der Kunde dann die Vertragsunterlagen. Dabei sind auch die AGB der Beklagten angehängt. Darin wird geregelt, dass es sich um ausschließliche Online-Verträge handele und die Kommunikation entsprechend nur über elektronische Kommunikationswege erfolge. Zudem war eine Klausel enthalten, in der die Beklagte berechtigt sein sollte, Kosten für den Postversand dem Kunden in Rechnung zu stellen, wenn aus Gründen, die in der Person des Kunden lagen, die Kommunikation nicht online abgewickelt werden konnte.
Argumente
Die vzbv hält die Klauseln für unwirksam, weil sie intransparent seien. Der Verbraucher denke nämlich, er dürfe gar nicht per Briefpost kündigen. Bei der Kostenklausel für den Postversand wisse der Kunde nicht, welche Preise er letztlich bezahlen müsste. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, dass einem Verbraucher trotz der Klausel klar sei, dass selbstverständlich auch über den Postweg gekündigt werden kann. Zudem weise sie in ihrer Widerrufsbelehrung und einem vorgehaltenen Formular auch darauf hin, dass per Fax gekündigt werden könne.
Die Entscheidung
Das LG Hamburg gab der vzbv Recht. Der postalische Kommunikationsweg könne bei Verbraucherverträgen nicht ausgeschlossen werden. Das erfasse abseits eines schlichten Verbots der Papierpost auch eine indirekte Regelung dahingehend, dass die Kommunikation ausschließlich über „elektronischem Kommunikationswege“ stattfinde. Der Verbraucher wisse durch die Klausel gerade nicht, wie er außer über elektronische Kommunikation sonst kündigen könne. Unzulässig sei ebenso die Klausel, die dem Verbraucher für den Papier-Postversand Kosten in nicht angegebener Höhe in Aussicht stellt. Für den Verbraucher sei unklar, mit welchen Kosten er rechnen muss.
Unternehmen sollten ihre AGB überprüfen
Unternehmen sind daher aufgerufen, ihre AGB auf unzulässige Klauseln hinsichtlich einer ausschließlichen Online-Kommunikation sowie nicht näher bestimmter Kostenabwälzungen für die Papier-Postbearbeitung hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Verwendung der unzulässigen Klauseln ist wettbewerbswidrig.
Der Verbraucher ist im Vergleich zu einem Unternehmen der „schwächere“ Vertragspartner und wird daher durch das Gesetz besonders durch die „Verbraucherrechte“ geschützt, zu denen auch das AGB-Recht gehört. Regelungen gegenüber Verbrauchern müssen daher nachvollziehbar und nicht verwirrend sein. Klauseln, die dem Transparenz-, Bestimmtheits- und Verständlichkeitsgebot nicht genügen, werden rechtlich so behandelt, es stünden sie nicht im Vertrag. An ihrer Stelle tritt dann die gesetzliche Regelung. Diese kann allerdings strenger sein, als eine eigene, nach dem AGB-Recht zulässige eigene Regelung.