Der BGH hat heute ein weiteres medienwirksames Verfahren entschieden. Darin geht es um die Memoiren des Alt-Bundeskanzlers Kohl. Der BGH entschied darüber, ob Kohls Ghostwriter Auskunft über den Umfang der sich in seinem Besitz befindlichen Vervielfältigungen der Tonbänder, deren Transkriptionen sowie weiterer überlassener Unterlagen erteilen müsse.
Was war passiert?
Altkanzler Kohl und sein Ghostwriter trafen sich von 2000 bis 2001 an über 100 Tagen zu Gesprächen. Die Gespräche dauerten zusammen etwa 630 Stunden und wurden auf insgesamt 200 Tonbändern aufgezeichnet. Außerdem überließ Kohl seinem Ghostwriter persönliche Unterlagen. Der Ghostwriter sollte vier Bände über das Leben von Altkanzler Kohl verfassen und veröffentlichen. Drei Bände hatte der Ghostwriter im Jahr 2013 bereits verfasst, da zerstritt er sich mit dem Altkanzler.
Kohl klagte sodann erfolgreich die Herausgabe sämtlicher Tonbänder ein. Diese Entscheidung hat später auch der BGH bestätigt. Wenige Monate nach Herausgabe der Tonbänder veröffentlichte der Ghostwriter im Oktober 2014 das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“. Im Zuge dessen gab er bekannt, dass er noch zahlreiche Kopien der Originalaufnahmen sowie der Transkription besitze. Das führte zu insgesamt drei weiteren Klagen Kohls auf (1) Unterlassung der Veröffentlichung, (2) Zahlung von Schmerzensgeld und (3) Herausgabe der Vervielfältigungen sämtlicher Tonbänder, Transkriptionen und der persönlichen Unterlagen. Im Juni 2017, noch vor Rechtskraft der Urteile, starb Helmut Kohl. Seitdem werden die Verfahren von seiner Witwe Maike Kohl-Richter fortgeführt.
Die Entscheidungen
(1) Den Unterlassungsanspruch sprach das LG Köln Kohl zu, weil die Veröffentlichung 116 Textpassagen mit Persönlichkeitsrechtsverletzungen enthalte. Nach dem Tod Kohls verletzen laut OLG Köln noch 115 Textpassagen Kohls Persönlichkeitsrechte.
(2) Aus diesen Persönlichkeitsrechtsverletzungen ergab sich nach Auffassung des LG Köln auch ein Schmerzensgeldanspruch in einer Rekordsumme von 1 Mio EUR. Das OLG hob diese Entscheidung jedoch wieder auf: Kohl war zwischenzeitlich gestorben und ein Schmerzensgeldanspruch sei nicht vererbbar. Das letzte Wort wird hier der BGH haben.
(3) Im heute gefällten Urteil ging es um die Herausgabe der Vervielfältigungen. Hierfür benötigt Kohl-Richter in erster Stufe Auskunft über die vorhandenen Tonband-Vervielfältigungen, Transkripten und Unterlagen. Erst in einer zweiten Stufe, also nach Erteilung der Auskunft, kann der Beklagte zur Herausgabe verurteilt werden. Der BGH sprach im heutigen Urteil der Erbin Auskunft über Tonband-Vervielfältigungen und Transkripten zu, sah jedoch den Anspruch auf Herausgabe der übrigen Unterlagen als verjährt an.
Ist das jetzt das Ende?
Noch nicht. Der BGH hat den Ghostwriter nun zwar zur Erteilung von Auskunft verurteilt. Damit hat er jedoch bisher nur über den Hilfsanspruch entschieden. Eigentliches Begehr der Klägerin ist die Herausgabe der Vervielfältigungen, wozu nun wieder das LG Köln den Ghostwriter verurteilen muss. Außerdem hat der BGH noch abschließend über eine mögliche Vererbbarkeit des Schmerzensgeldanspruchs zu entscheiden. Der Streit über die Kohl-Protokolle zeigt sehr anschaulich, welch umfangreiche Ansprüche und Rechtsfragen sich bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ergeben können.
Vielen Dank an Theresia Rasche für diesen Blogbeitrag.