Hintergrund
Die Registrierung einer Marke verleiht ihrem Inhaber eine Art Monopol. Er kann Dritten untersagen, seine Marke für die geschützten Waren oder Dienstleistungen zu benutzen. Ein berechtigtes Interesse an diesem Monopol besteht jedoch nur wenn der Inhaber die Marke auch selbst nutzt. Eine Marke, die nicht ernsthaft benutzt wird, kann gelöscht werden. Da jedermann Interesse an der Verwendung einer Marke haben kann, kann auch jedermann einen entsprechenden Löschungsantrag stellen (sog. „Popularantrag“). Der Antrag wird „Verfallsantrag“ genannt.
Wird ein zulässiger Verfallsantrag gestellt, wird der Markeninhaber aufgefordert, die Benutzung der Marke nachzuweisen. Anders als in Deutschland ist hierzu auf europäischer keinerlei Vortrag des Antragstellers nötig. Es ist lediglich eine Gebühr zu entrichten (rund 600 EUR). Auch wenn eine Marke benutzt wird ist der Nachweis der Benutzung regelmäßig sehr aufwendig. Es verwundert daher nicht, dass insbesondere auf europäischer Ebene solche Verfallsanträge oftmals nicht entsprechend ihrem eigentlichen Zweck gestellt werden. Sofern eine Marke auf Basis einer älteren Marke angegriffen wird, erhebt der Inhaber der jüngeren Marke nicht selten einen solchen Verfallsantrag. Damit kann er oft seine Verhandlungsposition verbessern. Oder es handelt sich um reine Vergeltung. Der Antrag hat dann lediglich den Zweck, dem Gegner das Leben etwas schwerer zu machen.
Da der Verfallsantrag von jedermann gestellt werden kann, spielen Motive des Antragstellers regelmäßig keine Rolle. So haben die europäischen Gerichte auch bisher den Einwand einer rechtsmissbräuchlichen Antragstellung als unbeachtlich angesehen. Die große Beschwerdekammer des Europäischen Markenamtes (EUIPO) hat dies in einer besonderen Konstellation kürzlich abweichend bewertet.
Der Fall
Der beim EUIPO gut bekannte „Markentroll“ Michael Gleissner hatte über verschiedene Scheinfirmen insgesamt 37 Verfallsanträge gegen verschiedene Marken eines anderen Unternehmens gestellt. Hintergrund war, dass er zwei dieser Marken erwerben wollte, was die Markeninhaberin jedoch ablehnte. Ziel der Anträge war es allein, Druck aufzubauen, um die Markeninhaberin zum Verkauf zu bewegen. Zwischenzeitlich wurde eine Rücknahme der Anträge gegen Verkauf der gewünschten Marken angeboten.
Die Entscheidung
Die große Beschwerdekammer des EUIPO (R 2445/2017-G) sah das Verhalten Gleissners als rechtsmissbräuchlich und den Verfallsantrag deshalb als unzulässig an. Damit ging eine Änderung der bisherigen Entscheidungspraxis einher. Aufgrund der Ausgestaltung des Verfallsantrags als Popularantrag liegt der Antrag grundsätzlich im öffentlichen Interesse. Marken, die nicht (mehr) benutzt werden, sollen aus dem Register gelöscht werden. Die Motive des Antragstellers spielten daher bislang keine Rolle. Die große Beschwerdekammer war jedoch der Auffassung, das den Ämtern und Gerichten nicht die Möglichkeit abgeschnitten sein dürfe, die Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Einem evidenten Rechtsmissbrauch müsse man entgegenwirken können.
Ausblick
Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig, jedoch steht sie in einem Spannungsverhältnis zur Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) vom 10.06.2020 (T-577/19). Das EuG entschied, dass „es bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Verfallsantrags irrelevant ist, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt“. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich der Ansatz des EUIPO in der Praxis durchsetzen kann. Jedenfalls wird man in besonderen Konstellationen, in denen die Antragstellung offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt, als Markeninhaber künftig besser argumentieren können. Es besteht Hoffnung, dass die Entscheidung des EUIPO künftig den „Markentrollen“ und nicht den redlichen Markeninhabern das Leben schwerer machen wird.