Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es Amazon nicht verboten ist, über die Identität des Anbieters einer Ware zu täuschen (BGH, Urteil vom 15.10.2020, Az. I ZR 210/18). Das Buchen fremder Marken nur als Keywords – ohne dass die Marken im Anzeigentext erscheinen – ist seit langem erlaubt (BGH, Urt. v. 13. 12. 2012 – I ZR 217/10). Allerdings muss die erscheinende Anzeige deutlich abgetrennt in einem gekennzeichneten Werbeblock erscheinen und darf selbst keine Hinweise auf die Marke, den Markeninhaber oder die unter der Marke angebotenen Produkte enthalten.
Der Fall
Der namhafte Staubsaugerhersteller Vorwerk bevorzugt es, seine Geräte direkt an den Mann zu bringen. Auf eine Präsenz auf dem Amazon Marketplace verzichtet er und bietet seine Produkte online nur über den hauseigenen Online-Shop an. Amazon, stets darum bemüht, Verbraucher als gigantischer Online-Marktplatz mit allem auszustatten, was der Mensch auch nur zu begehren erwägt, hat bei der Suchmaschine Bing Keywords gebucht. Diese Keywords („vorwerk“, „kobold“ und „vorwerk tiger“), sind markenrechtlich durch Vorwerk geschützt. Sobald ein Verbraucher diese Begriffe auf Bing suchte, wurden über der Ergebnisliste Werbeanzeigen von Amazon mit den geschützten Zeichen von Vorwerk angezeigt. Durch einen Klick darauf gelangte er zu den konkreten Anzeigen auf dem Amazon Marketplace. Dort wurden gebrauchte Originalprodukte von Vorwerk, aber auch Produkte anderer Hersteller angeboten. Diesem Treiben wollte Vorwerk ein für alle Mal den Stecker ziehen, nachdem er schon gegen die Nutzung der Domain „keine-vorwerkvertretung.de“ durch einen Wiederverkäufer erfolgreich vorgegangen war (BGH, Urt. v. 28.6.2018 – I ZR 236/16).
Argumente
Vorwerk fand, dass die Verwendung der Keywords als Suchbegriffe und Anzeigentext bei Bing für die darauf erscheinenden Werbeanzeigen ihn in seinen Markenrechten verletze. Der durchschnittliche Nutzer erlange nämlich den falschen Eindruck, dass Vorwerk selbst auf dem Marketplace von Amazon seine Waren anböte. Darin sah Vorwerk eine Herkunftstäuschung.
Die Entscheidung
Der BGH war anderer Meinung: Eine der wesentlichen Funktionen einer Marke, den Verbrauchern die betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen zu garantieren, sei nicht verletzt. Der Verbraucher irre nicht über die Herkunft der Waren. Die auf Amazon vertriebenen Produkte stammten als gebrauchte Originalprodukte tatsächlich aus dem Hause Vorwerk. Die Täuschung beziehe sich daher nur auf die Identität des Anbieters dieser Waren. Dies ist ein Umstand, der markenrechtlich keine Beachtung findet. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen versagt der BGH ebenso einen Schutz über das Wettbewerbsrecht. Wenn das Markenrecht die Herkunftstäuschung nur auf die betriebliche Herkunft der Ware beziehe, könne das UWG nicht darüberhinausgehenden Schutz durch die Einbeziehung des Anbieters zusprechen.
Recht bekommen hatte Vorwerk aber mit seinen weiteren Unterlassungsanträgen. Er wehrte sich dagegen, dass Amazon durch die Keywords mit Werbeanzeigen unter Verwendung der Zeichen von Vorwerk in der Trefferliste auftauchte, die Hyperlinks aber ausschließlich zu Angeboten vorwerk-fremder Waren (und damit zu keinen Vorwerk-Originalprodukten) führten. Hierbei nahm der BGH eine Herkunftstäuschung an.
Fazit
Damit steht fest: Amazon darf Marken in Adwords-Anzeigen buchen und nutzen, wenn auf dem Marketplace dann Originalprodukte des Markeninhabers erscheinen – ganz gleich, wer sie dort verkauft. Ein Verbraucher verbindet mit der ihm bekannten Marke eines Unternehmens eine besonders hohe Erwartung an die Qualität. Diese Herkunftsfunktion bleibt auch dann gewahrt, wenn der Verbraucher die unter der Marke vertriebenen Produkte über einen Drittanbieter erwirbt. Die Täuschung über die Identität des Anbieters auf Amazon bleibt nach diesem Urteil marken- und wettbewerbsrechtlich folgenlos. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass Amazon sich sehr wohl der Beliebtheit von Vorwerk bedient. Das letzte Wort ist jedoch noch nicht gesprochen. Der BGH hat den Rechtsstreit zur weiteren Tatsachenfeststellung an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.