Mit Urteil vom 17.12.2020, Az. C-490/19, hat der EuGH auf ein Vorabscheidungsersuchen entschieden, dass eine geschützte Ursprungszeichnung (g.U.) nicht nur den Namen, sondern auch das äußere Erscheinungsbild eines Produkts schützt. Der Entscheidung lag der Käse Morbier zugrunde, der seit dem Jahr 2000 eine g.U. trägt. Die geschützte Ursprungsbezeichnung ist ein europaweit geschütztes Kennzeichen, das national im Markengesetz geregelt ist. Sie soll sicherstellen, dass ein Produkt aus einem bestimmten geografischen Gebiet stammt und dort nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren erzeugt, verarbeitet und zubereitet wurde.
Alles Käse?
Der Morbier ist ein Käse aus Kuhmilch aus dem Gebiet Franche-Comté im Osten Frankreichs. Sein charakteristisches Merkmal ist ein horizontaler schwarzer Kohlestreifen. Der geht zurück auf seine Entstehungsgeschichte, die bis ins 18. Jahrhundert reicht. Weil es den Bauern im Winter schwerfiel, genug Milch für einen eigenen ganzen Käselaib zu melken, machten sie aus der Not eine Tugend: Sie melkten morgens die Kühe, kästen ihre Milch ein und streuten dann Pflanzenasche darüber. Dies sollte den Käse vor Austrocknung und Keimen, aber auch vor einer Krustenbildung schützen. Beim nächsten Melkvorgang am Abend wurde dann die neu gemelkte Milch auf die Ascheschicht gegeben. Der dunkle Streifen ist seither ein „Must-Have“ für den Morbier.
Der Fall
Seine Anfänge hat der Fall – ebenso wie der Käse – in Frankreich: Geklagt hatte ein berufsübergreifender Verband gegen ein Unternehmen, das bereits seit 1979 Morbier-Käse herstellt. Seitdem der Name Morbier als geschützte Ursprungsbezeichnung besonders geschützt ist, verzichtete das Unternehmen auf die Bezeichnung seines Käses als Morbier. Es behielt jedoch das charakteristischen Aussehen mit dem horizontalen dunklen Streifen bei. Anders als beim „echten“ Morbier erzeugte es diesen durch Traubenpolyphenol.
Argumente
Der Verband sah im gleichbleibenden Aussehen des Käses eine Verletzung der geschützten Ursprungsbezeichnung. Der „unechte“ Morbier wolle durch die Aufmachung mit dem dunklen Streifen, die eine Spezifikation der g.U. ist, eine Verwechslung mit dem „echten“ Morbier verursachen. Die mit ihm verbundene Bekanntheit und sein Ansehen sollen ausgenutzt werden, ohne die Voraussetzungen der g. U. zu erfüllen. Der Verbraucher werde so getäuscht. Ein durchschnittlicher Europäer denke nämlich, dass es sich bei dem Käse um den „echten“ Morbier aus Franche-Comté handele.
Das Unternehmen hingegen sah in der Klage den Versuch, sich Wettbewerbsvorteile durch eine Ausdehnung des Schutzumfangs der g.U. sichern zu wollen. Es müsse Konkurrenten aus Gründen des freien Wettbewerbs erlaubt sein, ähnliche Erzeugnisse herzustellen, wenn der Name der Ursprungsbezeichnung nicht verwendet oder ausgenutzt werde.
Entscheidung
Der Argumentation des Beklagten machte der EuGH einen Strich durch den Käse…Verzeihung, die Rechnung. Nachdem das erstinstanzliche Gericht die Unterlassungsklage abwies und auch das Berufungsgericht das Urteil mit Verweis auf den freien Wettbewerb bestätigte, legte der Verband gegen das Urteil beim Cour de cassation, dem französischen Pendant zum BGH, eine Kassationsbeschwerde ein. Der EuGH wertete die Nachahmung des spezifischen Aussehens des Morbiers als eine Handlung, die unter dem Auffangtatbestand des Art. 13 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 fällt. Die Nachahmung des Aussehens des Morbiers sei geeignet, den Verbraucher im Hinblick auf die tatsächliche Herkunft des Produkts in die Irre zu führen. Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Verbrauchers.
Fazit
Damit steht fest, dass nicht nur die Verwendung des Namens einer geschützten Ursprungsbezeichnung durch einen Dritten verboten ist, sondern auch die Nachahmung des charakteristischen Aussehens des Erzeugnisses. Dies ist einleuchtend, wenn man bedenkt, dass sich ein Verbraucher sehr wohl an einen schwarzen Strich im Käse erinnert. Den Namen des Käses behält er jedoch nicht zwangsläufig im Gedächtnis. Käseliebhaber können sich damit sicher sein, ein Stück Frankreich in den Händen zu halten, wenn fortan ein dunkler Strich ihren Käse ziert.