Der Fall
Gummibärchen beinhalten zumeist Gelatine. So auch die berühmten Goldbären der Firma Haribo. Es handelt sich somit um ein Produkt mit tierischen Inhaltsstoffen. Kein Wunder also, dass eine Nachfrage nach veganen Alternativprodukten besteht. Das dachte sich auch die Firma Vitana. Die Form ihrer „Gummi-Bärchen ohne Gelatine“ war jedoch nahezu identisch zu den Goldbären. Haribo nahm Vitana auf Unterlassung in Anspruch.
Die Entscheidung
Nach dem Landgericht beschäftigte der Fall das Oberlandesgericht in Köln (Az.: 6 U 19/20). Haribo konnte sich hinsichtlich der Warenform ihrer Goldbären nicht auf Marken- oder Designschutz stützen. In solchen Fällen hilft manchmal das Wettbewerbsrecht. Unter bestimmten Voraussetzungen schützt der sogenannte wettbewerbliche Leistungsschutz gegen Nachahmungen. Erforderlich hierfür ist eine wettbewerbliche Eigenart. Die Kölner Gerichte entschieden zunächst, dass Fruchtgummi in Bärenform grundsätzlich wettbewerbliche Eigenart haben kann. Im Falle von Haribo aufgrund jahrzehntelanger Marktpräsenz, hohen Markterfolges und erheblicher Werbeaufwendungen sogar gesteigerte Eigenart. Die nahezu identische Nachahmung hätte jedoch darüber hinaus auch über die betriebliche Herkunft täuschen müssen oder die Wertschätzung der Goldbären ausnutzen müssen.
Vitana argumentierte, dass zahlreiche weitere Unternehmen ebenfalls Fruchtgummi in Bärenform anböten. Zudem vertreibe sie ihr Produkt nur in speziellen Geschäften wie Reformhäusern zu höheren Preisen als Haribo. Die Goldbären von Haribo besäßen darüber hinaus bei bei Käufern veganer Produkte keinen guten Ruf.
Die Kölner Gerichte folgten dem nicht. Sie erkannten eine Ausnutzung der Wertschätzung der Goldbären. Zum einen wiesen die sonstigen im wettbewerblichen Umfeld angebotenen Fruchtgummi-Produkte in Bärenform die Gestaltungsmerkmale der Goldbären in ihrer Gesamtheit nicht auf. Der maßgebliche Verkehrskreis erfasse neben ausschließlichen Veganern auch Verbraucher, die früher Goldbären gekauft haben oder nach wie vor (auch) Goldbären kaufen. Vitana habe sich ohne sachlichen Grund in so starkem Maß an die bekannte Aufmachung eines Konkurrenzprodukts angelehnt, dass sie sich an das Image des Originals „anhängt“ habe. Bei einem Erzeugnis, das in seiner Gestaltung vollkommen frei wählbar sei und keinerlei technisch bedingten Beschränkungen unterliege, geschehe die Übernahme ohne Not. Angesichts der vielfältigen Gestaltungsalternativen bei Bärenfiguren aus Fruchtgummi sei ein berechtigtes Interesse an der Übernahme nicht zu erkennen. Da den Verbrauchern die Goldbären bekannt seien würden sie annehmen und erwarten, dass diese innerhalb der Gruppe der veganen Gummibärchen von der Konsistenz und vom Geschmack her den konventionellen Goldbären am ähnlichsten sind.
Fazit
Im Ergebnis dürfte die Entscheidung maßgeblich von dem Gedanken getragen sein, dass die identische Übernahme aufgrund der schier unendlichen Gestaltungsmöglichkeiten leicht zu vermeiden gewesen wäre. Das Argument der Beklagten, dass Kunden, die vegane Produkte nachfragen, der tierischen Alternative gerade keine Wertschätzung entgegenbringen, liegt sicherlich nicht ganz fern. Dennoch dürfte die Entscheidung im Ergebnis zutreffen. Die Investitionen in den Aufbau der Bekanntheit eines Produktes sind schützenswert.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum BGH zwar nicht zugelassen. Es wird jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH geführt.