133.000 US-Doller Schadensersatz – so viel sprach ein Gericht in New York der französischen Luxusmarke Hermés zu, weil eine Sammlung von 100 digitalen Nachbildungen der berüchtigten Birkin Bag ihre Markenrechte verletzen. 23.500 US-Dollar davon entfallen auf den Gewinn, den der beklagte Künstler Mason Rothschild mit dem Verkauf des Links zu einem dieser Bilddateien erhalten hat.
Über 20.000 US-Dollar für den Link zu einer Bilddatei? Das ist mehr als der übliche Preis für eine echte Birkin Bag. Und das Bild kann immer noch von jedem Internetnutzer frei und legal aufgerufen, angesehen und sogar kopiert oder heruntergeladen werden?
Non-fungible Tokens: Die ZukuNFT des Cyberspace?
Was für viele absurd klingen mag, ist für andere gleichzeitig die Zukunft des Internets und des Eigentums. Denn Rothschild hat nicht einfach nur Links zu einem Bild verkauft. Die Rede ist von so genannten Non-fungible Tokens, oder kurz NFTs. Ein NFT ist eine digitale Wertmarke, die auf einer Blockchain gespeichert wird und einen Link zu einer Datei, meistens einem Bild oder Kunstwerk, enthält, die sie repräsentiert. In einem anderen Anwendungsfall wird statt einer Datei ein physisches Objekt repräsentiert.
Ein NFT ist anders als eine (Krypto-)Währung nicht gegen Einheiten des gleichen Wertes austauschbar oder in Untereinheiten teilbar. Das macht ihn einzigartig. Anders als die Datei ist der NFT eben nicht kopierbar. Die NFTs können so wie andere Wertgegenstände gehandelt werden, die Blockchain fungiert dabei als Kassenbuch und dokumentiert den Lebenslauf des NFT. Das NFT wirkt wie ein Inhaberzertifikat über die Datei oder deren Inhalt. Digitale Kunstwerke oder Sammlerstücke können so wie ihre realen Vorbilder auf dem Kunstmarkt gehandelt werden.
Die Entscheidung des Gerichts: Bilder als Täuschung über die HerkuNFT
Das machen sich vor allem Digital Artists – Künstler, die digitale Kunst entwerfen – zu nutze. So auch Mason Rothschild, als er seine Kollektion der MetaBirkins erschaffen hat, digitale Nachbildungen der berühmten Birkin Bag von Hermés in Tierfelloptik. Laut eigener Aussage wollte der Künstler damit seinen Protest gegen die Nutzung von Echttierfell in der Modebranche ausdrücken.
Hermés sah in der Bezeichnung MetaBirkin und in der Domain von Rothschilds Website www.metabirkins.com seine Rechte in der Marke „Birkin“ verletzt. Zudem würde die Nachbildung der Birkin Bags das von Hermés in den USA „trade dress“ der Luxushandtaschen verletzen. Bei Letzterem handelt es sich um ein US-eigentümliches Schutzrecht, das Elemente aus 3D-Marken, Design- und Urheberrecht sowie lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz kombiniert. Rothschild stütze sich hingegen auf seine Rechte aus dem Ersten Verfassungszusatz (First Amendment), in Deutschland vergleichbar mit der Meinungs- und Kunstfreiheit.
Das U.S. District Court for the Southern District of New York gab Hermés nun Recht und entschied, dass Rothschild die Rechte von Hermés verletze. Die Nutzung der Marke ließe sich über das First Amendment nicht rechtfertigen. Besonders interessant ist an der Entscheidung, dass die Marke Birkin nur für „reale“ Handtaschen geschützt ist und nicht für ihre virtuellen Abbilder. Unter Markenrechtlern ist derzeit noch umstritten, ob sich der Schutz für reale Güter auch auf virtuelle Kopien derselben und NFTs zu ihnen erstreckt. Viele Markeninhaber haben zur Sicherheit daher im letzten Jahr ihr Portfolio überarbeitet und bei den Registerämtern ihre Marken auch für virtuelle oder herunterladbare Inhalte schützen lassen.
AnkuNFT bald auch an deutschen Gerichten?
Die Entscheidung aus New York ist eine der weltweit ersten größeren Gerichtsentscheidung zu NFTs und markenrechtlichen Fragestellungen. Noch ist sie nicht rechtskräftig, Rothschild hat bereits angedeutet, in Berufung gehen zu wollen. Andere markenrechtliche Entscheidungen, meist einstweilige Verfügungen, hat es bereits gegeben. So zum Beispiel in Italien (Tribunale Ordinario di Roma 19.7.2022 – R.G.32071/2022 – Juventus Turin) und Australien (The Pokémon Company International). Viel mediale Beachtung erfährt zudem ein weiterer derzeit in den USA verhandelter Fall zwischen Sportartikelhersteller Nike und der Resale-Plattform StockX. Uns ist bislang kein Fall bekannt, in dem Gerichte in Deutschland über Verletzungen von geistigen Eigentumsrechten durch NFTs entscheiden mussten. Das bleibt vermutlich aber nur eine Frage der Zeit…
Wir bedanken und bei unserem Wissenschaftlichen Mitarbeiter Nils Mascher für die Vorbereitung dieses Beitrages.