In einem Widerspruchsverfahren verneinte das EUIPO eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken für einige Dienstleistungen. Das EUIPO vertrat hierzu die Auffassung, dass reale Waren der Klasse 3 (u.a. Parfüm, Kosmetika) und Dienstleistungen der Klasse 35 (u.a. Einzelhandelsdienstleistungen für virtuelle Waren der Klasse 3) nicht ähnlich seien (Widerspruchsverfahren Nr. B 3 199 946, Entscheidung vom 08.07.2024).
Hintergrund
Das EUIPO hatte über die Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken zu entscheiden. Die ältere Marke war u.a. für reale Waren der Klasse 3 (u.a. Parfüm, Kosmetika) eingetragen. Die angemeldete Marke beanspruchte Schutz für Dienstleistungen der Klasse 35 (u.a. Einzelhandelsdienstleistungen für virtuelle Waren der Klasse 3).
Eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken wird bejaht, wenn die angesprochenen Verbraucher glauben könnten, dass die mit den Marken gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder ggf. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 1998, 922 [Tz. 29] – Canon). Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls zur beurteilen, insbesondere auch die Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, für die die Marken Schutz beanspruchen. Sind die zu vergleichenden Waren und Dienstleistungen nicht ähnlich, scheidet eine Verwechslungsgefahr aus.
Die Entscheidung des EUIPO
Stehen sich reale Waren und Einzelhandelsdienstleistungen für die virtuellen Gegenstücke dieser realen Waren gegenüber, genüge dies allein nicht für die Feststellung einer Ähnlichkeit. Von Amts wegen prüft das EUIPO nur allgemein bekannte Tatsachen und natürlich die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel.
Hier reichte Beides nicht aus, um eine Ähnlichkeit zu bejahen. Das EUIPO sah keine allgemein bekannten Tatsachen, die es zur Bewertung heranziehen konnte. Bei virtuellen Gütern und diesbezüglichen Einzelhandelsdienstleistungen handele es sich aufgrund des schnellen technologischen Fortschritts um neue Aspekte. Es könne (noch) nicht von einer etablierten Marktpraxis ausgegangen werden. So sei nicht bekannt, ob virtuelle Waren und ihre realen Gegenstücke üblicherweise über dieselben Vertriebskanäle angeboten werden und ob das gleiche Publikum angesprochen werde. Daher komme bei virtuellen Gütern dem Vortrag der Parteien eine wichtige Rolle zu. Die Widersprechenden habe nur ausgeführt, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen ähnlich seien. Spezifische Argumente zu virtuellen Gütern fehlten im Vortrag der Widersprechenden.
Das EUIPO stellte fest, dass reale Waren und ihre virtuellen Gegenstücke nicht zu derselben Warenkategorie gehörten. Die Tatsache, dass virtuelle Waren die Funktionen realer Waren abbilden oder nachahmen könnten, führe nicht zu einer Identität mit den realen Gegenstücken. Nur weil es sich bei einem bestimmten Produkt um das virtuelle Gegenstück zu einem realen Produkt handele, liege nicht automatisch eine Ähnlichkeit vor.
Im Ergebnis verneinte das EUIPO daher im vorliegenden Fall mangels etablierter Marktpraxis und mangels konkreten Vortrags der Widersprechenden eine Ähnlichkeit.
Ausblick
Mit weiteren Entwicklungen und Investitionen im Metaverse ist zu erwarten, dass das EUIPO seine Maßstäbe anpassen wird und zukünftig auf allgemein bekannte Tatsachen zurückgreifen kann – insbesondere, wenn die Widersprechenden nach den allgemein anerkannten Kriterien hierzu überzeugend vortragen. Die Praxis wird zeigen, ob und in welchen Branchen reale und virtuelle Güter dieselben Vertriebskanäle nutzen, von denselben Herstellern stammen und sich an dasselbe Publikum richten. Insbesondere für Digital Fashion und den Online-Handel, aber auch für den Gaming-, Entertainment- und Gesundheits-Sektor bleibt es spannend, welche Rolle das Metaverse spielen wird. Vorerst ist es Aufgabe der Beteiligten, in der jeweiligen Branche ausreichend vorzutragen, um das EUIPO von einer Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen zu überzeugen.