Die §§ 16 ff. GeschGehG iVm. § 145a PatG dienen dem Schutz von geheimhaltungsbedürftigen Informationen im Patentverletzungsprozess. Wenn die Partei bereits vertraglich und strafbewehrt zur Geheimhaltung verpflichtet ist, bedarf es keiner weiteren Anordnungen zum Geheimnisschutz im Verfahren. Das bloße Interesse des Geheimnisinhabers am Schutz vor Offenbarung begründet kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Geheimnisschutzanordnung (LG Mannheim, Beschluss vom 14.4.2023 (Az. 7 O 91/22) – “ Geheimnisschutzanordnung II”).
1. Warum ist die Geheimhaltung im Patentverletzungsverfahren wichtig?
In vielen Branchen ist die Geheimhaltung von Informationen ein wichtiger Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. Im Patentverletzungsverfahren spielt sie eine besonders wichtige Rolle. Dort müssen häufig Geschäftsgeheimnisse zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche offenbart werden. Um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Patentverletzungsverfahren zu gewährleisten, gibt es verschiedene Maßnahmen. Eine Möglichkeit ist die Beantragung einer Geheimnisschutzanordnung (§§ 16 ff. GeschGehG iVm. § 145a PatG). Danach dürfen Gerichte bestimmte Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen und Schutzmaßnahmen veranlassen. Die Verfahrensbeteiligten müssen diese Informationen dann vertraulich behandeln und dürfen sie nicht außerhalb des Verfahrens nutzen oder offenlegen. Zudem müssen die von der Anordnung betroffenen Informationen bei der Gewährung von Akteneinsicht gegenüber unkenntlich gemacht werden.
2. Was war das besondere im Fall “Geheimnisschutzanordnung II“?
Die Klägerin hat die Beklagte wegen der Verletzung eines standardessentiellen Patents in Anspruch genommen. In diesem Zusammenhang hatten die Parteien auch eine Geheimhaltungsvereinbarung (ein sogenanntes Non Disclosure Agreement (NDA)) unterzeichnet, um den Austausch von sensiblen Informationen zu schützen. Die vereinbarte Geheimhaltung betraf die Informationen zur Begründung eines kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes. Das NDA erlaubte die Vorlage der geschützten Informationen vor Gericht nur im Falle weiterer gerichtlicher Schutzmaßnahmen. Die Besonderheit des Falls lag also darin, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits bereits eine Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden war und die gerichtliche Geheimnisschutzanordnung zusätzlich begehrt wurde.
3. Wie entschied das LG Mannheim?
Das Gericht lehnte den Antrag der Parteien auf Geheimnisschutzanordnung ab, da dafür kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Prozessvoraussetzung, die etwa fehlt, wenn ein gerichtlicher Antrag sinnlos ist oder der Antragsteller mit ihm keinen rechtlich schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Im Zusammenhang mit gerichtlichen Geheimnisschutzanordnungen kann es etwa fehlen, wenn der begehrte Geheimnisschutz auch auf einfachere oder billigere Weise erreicht werden kann.
Im konkreten Fall sah das LG Mannheim durch die Geheimhaltungsvereinbarung, die die Parteien bereits abgeschlossen hatten, einen ausreichenden Schutz gewährleistet. Es lehnte daher eine weitere Geheimnisschutzanordnung ab, jedenfalls soweit diese für Informationen beantragt wurden, die schon unter die Geheimhaltungsvereinbarung der Parteien fielen. In ähnlicher Weise hatte auch bereits das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 3.11.2022 argumentiert (Az. 2 U 102/22)
4. Fazit: Und was heißt das jetzt?
Die Entscheidungen des LG Mannheim und OLG Düsseldorf verdeutlichen, dass strenge Anforderungen an den Erlass gerichtlicher Geheimnisschutzanordnungen gestellt werden. Entsprechende Anträge sind sorgfältig zu begründen. Wurde bereits eine Vertraulichkeitsvereinbarung abgeschlossen, dürfte diese nach der aktuellen Rechtsprechung weiteren gerichtlichen Maßnahmen regelmäßig entgegenstehen.
Unserer Auffassung nach übersieht die Rechtsprechung, dass gerichtliche Anordnungen – anders als vertragliche Vereinbarungen zwischen den Parteien – auch gegenüber Dritten wirken können. Daher besteht stets ein ergänzendes Schutzbedürfnis des Geheimnisinhabers, das eine flankierende gerichtliche Anordnung rechtfertigt. Hierzu meint aber das LG Mannheim, dass dieser Schutz vor der Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen durch an der Streitsache nicht beteiligte Dritte lediglich einen “Rechtsreflex” darstelle, der für sich eine gerichtliche Anordnung nicht rechtfertigen könne.